Malainin Lakhal, Gedichte aus der Westsahara

Die Gedichte des Journalisten, Menschenrechtsaktivisten für die Unabhängigkeit der letzten afrikanischen Kolonie, der Westsahara, wurden vor kurzem von ProMosaik in englischer, deutscher und italienischer Übersetzung veröffentlicht.

 

Wir sind von der Bedeutung der Poesie im Dienste des Kampfes für unterdrückte Völker überzeugt, weil wir an die ästhetische und expressive Intensität der Poesie glauben, die als eine universelle Sprache gilt, die nicht nur persönliche Gefühle, sondern auch Begriffe, den politischen Aktivismus und Kampf und politische Bemühungen zum Ausdruck bringt, die für die Gerechtigkeit stehen.

 

Für uns erhebt sich die Poesie des Sahrawi-Volkes zu einer Dimension des antikolonialistischen Kampfes, auch wenn sie nicht direkt vom Widerstand spricht und auf Themen wie die Sehnsucht nach der Heimat, das Exil, die Mutter, die Frau, die Liebe und die Gefühle im Allgemeinen fokussiert.

 

Der Aspekt, der uns in Malainin Lakhals Gedichten am meisten auffiel, ist genau dieser Bezug auf das Gewöhnliche, auf den Fluss des Lebens und auf eine „normale“ Existenz, die aber immer vom Gefühl beschattet werden, sich im Exil zu befinden, draußen zu sein und folglich zu einem unterdrückten Volk zu gehören.

 

Es geht um den Bezug zur geografischen Entfernung von seinem Land, in das er nur zurückkehren kann, wenn es zum zweiten Mal dekolonisiert und zur arabischen Sahrawi Republik wird, die vom Joch der marokkanischen Monarchie befreit wird.

 

Die von der marokkanischen Monarchie begangenen Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten halten ungestört an.

 

Für Malainin gibt es keine Kompromisslösungen. Die einzige offene Option besteht in der Beendigung des Konflikts.

 

Und diese einzige offene Option besteht darin, dem Volk der Sahrawi sein Land zurückzugeben, damit es hier eine unabhängige arabische Sahrawi-Republik errichten kann.

 

Und diese Option würde die Entkolonisierung des gesamten afrikanischen Kontinents bedeuten, da die Westsahara die letzte afrikanische Kolonie ist.

 

Auf internationaler Ebene ist die Westsahara ein von allen vergessenes Land, eine Wüste voller Bodenschätze, die dem Sahrawi-Volk vor den Augen der Welt gestohlen wurde.

 

Die Welt schweigt, und das Leid des Sahrawi-Volkes hält nun schon seit Jahrzehnten an.

 

Es gibt nur wenige, die ihre Stimme gegen das Königreich Marokko erheben.

Die internationale Gemeinschaft scheint blind zu sein.

Das Schicksal des Sahrawi-Volkes, das in Flüchtlingslagern verstreut lebt und ins Ausland geflohen ist, ist besiegelt.

 

Es gibt keine Rückkehr in die Heimat, da diese von Marokko kolonisiert wurde.

Das Schicksal des Sahrawi-Volkes ist dem der Palästinenser, Uiguren und Rohingya ähnlich und doch so unterschiedlich.

 

Wir sind der felsenfesten Überzeugung, dass Poesie mehr tun kann, als man je für möglich gehalten hätte, um der Taubheit der Welt entgegenzuwirken.

Die poetischen Themen, mit denen sich Malainin befasst, verschaffen uns den Zugang zur kulturellen Welt der Westsahara, zu ihrer Geographie und Ethnographie.

 

Darüber hinaus versetzen sie uns in die Lage, die existenzielle Dimension des unterdrückten Dichters zu erfassen, da er sich einer Situation des Kolonialismus widersetzt, die er aber nicht besiegen kann.

 

Tief in seiner Seele entwickelt der Dichter das Gefühl der Entfremdung und des Leids, das sowohl sein Leben in seiner besetzten Heimat als auch sein Leben außerhalb im Exil vollkommen einnimmt. Denn er kann nicht in seine besetzte Heimat zurück.

 

Er träumt davon, zum Nationalfeiertag Kopf hoch in die freie Sahrawi-Republik zurückzukehren.

 

Alle von Lakhal verfassten Verse zeichnen sich durch diese Suche und durch eine poetische Weltanschauung aus, die als Ausdrucksform angesehen wird und die Situation des Exils, der Sehnsucht nach der Heimat, die sich in physische Symbole wie die Augen und die Brust der Mutter verwandelt, widerspiegelt.

 

Er schreibt, wie genau sich dieses Gefühl der Entfremdung und des unerträglichen Exils mitten in einem Flüchtlingslager in ein poetisches Lied verwandelt:

 

„Der Schmerz, ein Fremder zu sein, lebt in meiner Seele.

Der Schmerz, ein Fremder zu sein, zeichnet meine Seufzer.

Der Schmerz, ein Fremder zu sein, schreibt den Rhythmus

Der Sehnsucht, die meine Stimme bewegt.

Und er wird zum Wesen meines Gesangs

In einem gelben Gefängnis, das wie ein Trugbild erscheint“.

 

Im Gedicht „Leyla“, das auch der Heimat als weibliche Dimension des Lebens gewidmet ist, erinnert Lakhal an die Aufgabe des Dichters, die nicht darin besteht, zu weinen, sondern zu erzählen.

 

Die Aufgabe des Dichters besteht darin, seine Stimme zu erheben, um seinen Schmerz zum Ausdruck zu bringen und ihn der Welt mitzuteilen, um den Kampf für die Freiheit und die Befreiung von der Kolonialmacht vorzubereiten und zu begleiten.

 

„In diesem Augenblick schreien dir die Winde der Wüste ins Gesicht:

 

Du wurdest verlassen, um eine Liebe zu vergessen,

Du wurdest verlassen, um eine Liebesgeschichte zu erzählen.

Also fang an zu singen und hör auf, Tränen zu vergießen.

Sing und hör auf zu weinen“.

 

Das Herz des Dichters im Exil ist ein schweres Herz, ein leidendes Herz, voller Erinnerungen an die Wüste, ihren Mond und ihren Sand.

Für den Dichter ist das Exil eine beduinische Besessenheit.

 

Die Nacht symbolisiert den Schmerz, die Stille, das Leid und die Grausamkeit, die sich in Verbindung mit der Liebe zur verlorenen Heimat in Poesie verwandeln.

 

Wiederum ist die Wahrnehmung des Heimatlandes eine Wahrnehmung von Abwesenheit und Mangel, die jedoch die politische Utopie der Entkolonialisierung und Befreiung des Landes des Sahrawi-Volkes vom marokkanischen Joch nie aus den Augen verliert.

 

Video:

 

 

 

Video der arabischen Originale:

 

Gedichte aus der Westsahara – Malainin Lakhal, Milena Rampoldi, Karin Schenk – Softcover – epubli