Ineke van der Valk, Islamfeindlichkeit in den Niederlanden

 

Seit dem 11. September 2011 – und insbesondere seit dem Mord an Theo van Gogh – wurden Muslime und der Islam in öffentlichen Diskussionen immer wieder in ein schlechtes Licht gerückt. Erscheinungsformen der Islamophobie finden sich im Internet, in Kommentaren der PVV und in Gewalttaten gegen Moscheen. Niederländische Anti-Diskriminierungsstrategien geraten unter Druck, nun da sich diese Ideologie ins Zentrum der politischen Ebene vorgearbeitet hat.

Wie kommen negative Konnotationen bezogen auf Muslime zustande? Wo finden Gewalttaten statt? Stehen die Niederlande tatsächlich an vorderster Front im Clash of civilizations wie es von Politikern, Meinungsbildnern und anderen auf internationaler Ebene behauptet wurde?

Oder handelt es sich dabei um einen Ausschlussmechanismus? Die Autorin vertritt die Auffassung, dass Veränderungen im politischen Klima nur vollständig verstanden werden können, wenn der Rassismus, die Ideologie und die Sprache in die Analyse miteinbezogen werden. Ihre Untersuchung der Islamophobie und Diskriminierung bestand in einer Studie entsprechender Literatur, einer Analyse von Dokumenten sowie der Sammlung von Daten über Gewalt gegen Moscheen.

 

Auszug aus dem Vortrag zum Buch:

Das Thema der Islamfeindlichkeit in den Niederlanden in Deutschland vorzustellen, ist für mich eine sehr große Ehre, vor allem auch wegen der großen Wertschätzung, die ich auf diese Weise dem Werk von Ineke van der Valk entgegenbringen kann.

Und diese Forschungsarbeit ist heute in unserem Covid-19-Zeitalter immer noch aktuell. Denn die islamfeindlichen Tendenzen in den Niederlanden lassen nicht nach und treten immer wieder zum Vorschein.

Das Thema der Islamophobie ist aber für mich als Frau und als Muslimin aber nicht nur ein niederländisches oder europäisches Thema, sondern viel mehr ein Thema, das in den Bereich der universellen  Menschenrechte fällt. Religion und die Freiheit, die eigene Religion  auszuleben, gehören zu den grundlegenden und in der Demokratie anerkannten Menschenrechten. Und dies gilt auch für den Islam. Wenn man sich aber Filme wie Fitna des niederländischen Politikers und Vorsitzenden der rechtspopulistischen Partij voor der Vrijheid Geert Wilders ansieht, erinnert man sich gleich an den antisemitischen Film Der ewige Jude aus dem menschenverachtenden Zeit-alter des Nationalsozialismus in Deutschland. Der Islam wird im zeitgenössischen islamfeindlichen Diskurs als eine politische Ideologie der Weltherrschaft und des Kolonialismus gegen den Westen dargestellt. Der Islam möchte nach diesem Standpunkt durch Moscheen und Kinderwagen, Gesichtsschleier und Kopftücher die Niederlande in seinen Bann nehmen und islamisieren. Daher möchte z.B. die Partei PVV die Vernichtung des Islam als totalitäre Ideologie  durchsetzen.

Vor allem  das wunderbare Buch des niederländischen Publizisten Geert Mak mit dem Titel Der Mord an Theo van Gogh (2005) hat mir den definitiven Anstoß zur Über-setzung der Studie von Ineke van der Valk gegeben. Als Muslimin und Befürworterin des interkulturellen und interreligiösen Dialogs finde ich es von wesentlicher Bedeutung, dass Texte wie dieser in verschiedene Sprachen übersetzt und weltweite Verbreitung finden. Es gehört auch wesentlich zur Aufgabe der IslamwissenschaftlerInnen heute, sich mit dem Thema der Islamfeindlichkeit und vor allem mit der Diskriminierung der muslimischen Frauen im Westen auseinanderzusetzen. Ich möchte dies sogar eine sozio-politische Aufgabe nennen.

Ineke van der Valk gelingt es auf wundervolle Weise, das Thema der Islamophobie und die zahlreichen Aspekte der Abwertung, Entwürdigung, Segregation und Stigmatisierung von Musliminnen und Muslimen in den Nieder-landen durch politische Parolen, Demonstrationen gegen den Moscheebau, Beleidigungen im Internet und verbale und gewaltvolle Attacken gegen islamische Gotteshäuser aufzuzeigen. Es ist in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig zu erkennen, wie viele verschiedene Aspekte ein solches Thema auch in sich birgt. Wie Rassismus und Fremdenhass so ist auch Islamfeindlichkeit mit Sicherheit kein homogenes und einheitliches Phänomen. Hierzu finde ich auch den Begriff der Intersektionalität sehr bedeutend, den die Autorin wie folgt definiert: „eine Diskriminierung, die auf verschiedenen, miteinander verbundenen Gründen basiert“.

Vor allem für nicht-niederländische Leserinnen und Leser ist das Buch sehr nützlich, weil es erklärt, wie sich in einem so liberalen Land wie den Niederlanden durch die Herausbildung von Vorurteilen über den Islam und die Hetze durch den islamfeindlichen politischen Diskurs à la Wilders eine intolerante Kultur entwickelt hat, die das Ziel verfolgt, (ausländische) MitbürgerInnen islamischer Religionszugehörigkeit aus der Gesellschaft auszuschließen und zu stigmatisieren.

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Studien wie die von Ineke van der Valk  bedeutend dazu beitragen können, den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen in den Niederlanden und in der gesamten westlichen Welt neu anzubahnen, indem man vorab Islamophobie analysiert, kennenlernt, bespricht und sich dann dagegen wehrt. Die Bekämpfung von Islamophobie soll im Rahmen eines friedlichen Dialogs und durch rationalistischen und offenen Diskurs und Information erfolgen.

 

Präsentationsvideo zum Buch: